Seit 6 Wochen eskaliert der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und genauso lange werden Menschen in der Ukraine aus ihrem normalen Leben herausgerissen und suchen Schutz in Deutschland. Auch in München und Umgebung. Und seit 6 Wochen wiederholt sich für Freifunk München eine Situation wie zuvor 2015: Menschen kommen mit ein paar Taschen Hab und Gut an und brauchen Kommunikationwege zu Familien, Freunden und Bekannten.

“Seit dem ersten Tag der neuen, heissen Kriegsphase und mit dem Eintreffen der ersten Kriegsflüchtlinge bekommen wir fast täglich Anfragen von Menschen und Einrichtungen mit der Bitte um Hilfe bei der Einrichtung von Internetzugängen”, berichtet Annika Wickert, eine der hauptehrenamtlich Aktiven bei Freifunk München, “..und dem kommen wir natürlich gern und nach Kräften nach.” Und das mit Erfolg! Bislang haben die Freifunker 6 grosse Unterkünfte und viele kleine -auch private- Einrichtungen “verfreifunkt” und versorgen mittlerweile ca. 2500 Geflüchtete mit Internet.

“Freifunk baut dabei auf einem vor Ort existierenden Internetanschluss auf”, erklärt Tobias McFadden, der mit Freifunk schon seit 2015 Geflüchteten hilft, “… und damit wir schnell helfen können, stellen wir auch schon mal übergangsweise Mobilfunk-basierte Anschlüsse bereit, bis ein fester Anschluss geschaltet werden kann”. Das ist aber anhängig von Sponsoren, denn bei Freifunk arbeiten alle ehrenamtlich und alle Ressourcen müssen über Spenden finanziert werden. “An den Anschluss kommt dann ein sogenannter Freifunkrouter, der die Kommunikation mit dem Freifunk-Rechenzentren in München und Wien übernimmt, sowie ein oder mehrere leistungsstarke WLAN-Zugangspunkte - je nach lokaler Gegebenheit des Gebäudes” ergänzt McFadden.   Freifunk verbaut dabei ausschließlich professionelles Equipment, denn Internetrouter wie man sie von Zuhause kennt, reichen meist nur zur Versorgung von einer Famile. 

“Dem GOROD Kulturzentrum haben wir sehr kurzfristig mit Hardware unter die Arme greifen können. Hier werden derzeit circa 230 gleichzeitig verbundene BenutzerInnen versorgt. Auch in der Aufnahmestelle Neuherbergstraße der AWO stellen wir aktuell den Geflüchteten einen Internetzugang bereit - für über 120 Endgeräte. Hier ist der Uplink über LTE realisiert, da vor Ort noch kein Anschluss geschaltet ist” berichtet Wickert. Weitere Einrichtungen sind in Garmisch-Partenkirchen, Unterhaching und Allershausen. Und dabei ist Freifunk vor allem schnell: Die Notversorgung in Unterhaching wurde nur 5 Tage nach dem ersten Kontakt in unter 4h aufgebaut. 270 Bewohner sollen dort versorgt werden.

“Der Zugang zum Internet ist kein Luxus” gibt Wolfgang Landsberger, einer der aktuell Aktiven beim Aufbau von WLAN-Infrastruktur in Flüchtlingeseinrichtungen, zu bedenken. “… es gehört zur Grundversorgung. Die Menschen in der Ukraine haben, genau wie die Menschen in Deutschland, alle Internet Zuhause und auf ihren Smartphones und nutzen es genauso intensiv. Da ist ein funktionierender Zugang auch ein Stück Normalität”. Und das zeigt sich auch in den Statistiken: “Aktuell gehen durch die Freifunkzugangspunkte für Geflüchtete etwa 3 Terabyte an Daten pro Tag, aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was unsere Infrastruktur bereitstellen kann”, ergänzt Landsberger sichtlich stolz.

Das bekamen die FreifunkerInnen auch gleich am ersten Tag der Flüchtlingshilfe beim Aufbau des Internetzugang in der ersten Aufnahmeeinrichtung zu spüren: Nach 10 Minuten hat es sich vor allem unter den geflüchteten Kindern in der Neuherbergstraße herumgesprochen, dass “es da gleich Internet gibt”. Die Helfer von Freifunk sind umringt von einer Traube Neugieriger, die genau verfolgen, was dort installiert wird. “Als wir dann den Zugang freigegeben haben, dauerte es keine 5 Minuten bis etwa 80 User aktiv waren und sich die ersten bedankten. Da weiß man, wofür man das macht” berichtet Wickert. Und auch die Eltern zeigen sich sichtlich erleichtert, denn so kehrt zumindest ein kleines Stück Normalität zurück - und auch das digitale Home-Schooling ist so möglich. In dem Punkt ist die Ukraine sogar weiter als Deutschland in der Pandemie.  Doch das bekommen die Helfer von Freifunk schon gar nicht mehr mit, denn sie sind schon auf dem Weg zur nächsten Einrichtung. Nach über 2km verlegten Netzwerkkabeln und fast 1000km Anfahrten ist noch lange nicht Schluss, es gibt noch viel zu tun.

📝 Mehr Informationen zu Freifunk und den Modalitäten bei Internetzugängen für Flüchtlinge finden Sie unter:
https://ffmuc.net/freifunkmuc/2022/03/25/internet-fuer-fluechtlinge/

Impressionen der Aufbauten:

Aufbau UHG Aufbau UHG2
Auto Aufbau AWO
LTE Aufbau AWO